Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erfordert zwingend Nachbesserungen

Berlin, 21.05.2021

Deutscher Behindertenrat: Das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist ein Anfang, für mehr Teilhabe sind jedoch zwingend Nachbesserungen erforderlich

Am 20. Mai 2021 hat der Bundestag das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verabschiedet. Das Gesetz setzt den "European Accessibility Act" in nationales Recht um und definiert die Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen. Drei Tage zuvor hatten Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung Kritikpunkte zum Gesetzesentwurf vorgebracht. Als Teilerfolg bewertet der Deutsche Behindertenrat (DBR) die Umwandlung der "Kann-Regeln" in Paragraf 29 und 30 in verbindliche Bestimmungen.

Andere elementare Kritikpunkte wurden – zur Enttäuschung des DBR – nicht mehr berücksichtigt. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz bleibt somit weit hinter den Erwartungen und seinen Möglichkeiten zurück.

"Deutschland hätte hier eine Vorreiterrolle einnehmen und Barrierefreiheit ambitioniert vorantreiben können. Diese Chance ist nun vertan", sagt Dr. Martin Danner, Koordinator des DBR-Arbeitsausschusses. "Stattdessen tritt ein Gesetz in Kraft, das wie eine Sparversion der europäischen Richtlinie wirkt und den Unternehmen mehr Rechte zuspricht als den Menschen, denen eine gleichberechtigte Teilhabe rechtlich zusteht. Wir brauchen ein Recht auf ein Leben ohne Barrieren – und zwar jetzt und nicht in ferner Zukunft."

Der DBR fordert von der Bundesregierung, die Schwachstellen des Gesetzes in der kommenden Legislaturperiode zeitnah anzugehen und erneut zu debattieren. Im Wesentlichen gibt es drei Punkte, die nachgebessert werden müssen:

  • Kürzere Übergangsfristen: Kürzere Übergangsfristen: Das Gesetz tritt nach jetzigem Stand am 28. Juni 2025 in Kraft und gewährt Unternehmen zudem eine Übergangsfrist von bis zu 15 Jahren. Das bedeutet, dass die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen erst ab 2040 vollends verpflichtend sein wird. Dies widerspricht den Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention und ist für Menschen mit Behinderung nicht hinnehmbar. Barrierefreie Produkte und Dienstleistungen – egal ob privat oder beruflich – sind für eine gleichberechtigte Teilhabe unabdingbar.
  • Zentrale Marktüberwachung: Die Marktüberwachung fällt aktuell in die Zuständigkeit der Bundesländer. In der Praxis wird dies – wie zuletzt auch in der Corona-Pandemie geschehen – zu einer Vielzahl an Auslegungen und Anwendungsfällen führen. Für eine einheitliche Rechtsanwendung und Marktransparenz braucht es eine zentral organisierte Marktüberwachung, die Barrierefreiheit systematisch und effizient kontrolliert und durchzusetzt.
  • Barrierefreie bauliche Umwelt: In dem Gesetz fehlen Angaben zur Barrierefreiheit der baulichen Umwelt vollends. Dies kann zur Folge haben, dass Produkte und Dienstleistungen wie Bankautomaten oder Buchungsterminals zwar barrierefrei sind, Barrieren in der Umgebung aber weiterhin bestehen bleiben. Barrierefreiheit muss – auch gesetzlich – ganzheitlich gedacht und umgesetzt werden.



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