Deutscher Behindertenrat (DBR) sieht Mängel im Behindertengleichstellungsgesetz
Berlin, 17. März 2016
"Einige Vorschläge des DBR und seiner Mitgliedsverbände sind in die Neufassung des Behindertengleichstellungsgesetzes eingeflossen. Das erkennen wir an, sind aber mit dem Gesamtbild unzufrieden, da insbesondere beim Abbau von Barrieren die Privatwirtschaft nicht in die Pflicht genommen wird." Das erklärt Ulrike Mascher, Sprecherratsvorsitzende des DBR und Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, anlässlich der ersten Lesung der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes im Bundestag.
Für den DBR muss auch die Privatwirtschaft ihren Beitrag zur Barrierefreiheit leisten, damit künftig Menschen mit Behinderung vor weniger Hürden stehen. In der Neufassung des Gesetzes werden die Bundesverwaltung und die Sozialleistungsträger verpflichtet, Standards zur Barrierefreiheit einzuhalten bzw. einzuführen. So gibt es zum Beispiel beim wichtigen Thema der barrierefreien Informationstechnik zu wenig Fortschritt im Gesetz: Private Anbieter bleiben völlig außen vor und die Träger öffentlicher Gewalt werden durch etliche Ausnahmen geschont. Die Novelle droht zu einem Spartengesetz zu werden, das in erster Linie die Bundesverwaltung betrifft. Vom Anspruch, Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen und für alle Menschen mit Behinderung herzustellen, ist der Entwurf weit entfernt.
"Ausnahmen darf es generell nicht geben. Mit der Metallrampe vor Geschäften ist es nicht getan. Potenzielle Kunden wie beispielsweise Sehbehinderte und Blinde können am e-Commerce nicht teilnehmen. Insbesondere die private Wirtschaft würde aber von digitaler Barrierefreiheit profitieren. Ein Umdenken der Privatwirtschaft erschlösse ihr neue Kunden und würde den Alltag der Betroffenen erheblich erleichtern, insbesondere bei Arztpraxen und anderen Gesundheitsdienstleistern. Wir brauchen eine Barrierefreiheit im umfassenden Sinn. Ohne fremde Hilfe muss allen alles zugänglich sein", betont die DBR-Sprecherratsvorsitzende.
Außerdem lässt die Novellierung die Verbände behinderter Menschen bei der Durchsetzung von Zielvereinbarungen und Klagen bei Verstößen im Regen stehen. Ressourcen und Befugnisse der Verbände müssen daher deutlich gestärkt werden.
"Letztlich bleibt die Gesetzesnovelle hinter unseren Erwartungen und Vorschlägen zurück. Barrieren abzubauen ist für Menschen mit Behinderung essenziell. Und für alle wichtig, wenn wir zum Beispiel an Ältere oder Menschen, die zeitweise in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, denken. Bei den weiteren Beratungen zum Gesetz bzw. notwendiger Änderungen müssen die Verbände für Menschen mit Behinderung stärker Gehör finden. Darüber hinaus sollte sich unser Denken auch über die physischen Hürden hinaus bewegen. Es gibt immer noch zu viele Barrieren in den Köpfen gegenüber Menschen mit Behinderung", kritisiert Mascher.