Berlin, 4. Juni 2024 - Seit langem setzt sich der Deutsche Behindertenrat für eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ein. Es braucht klare gesetzliche Regelungen zur Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Gütern und Dienstleistungen, die für die Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Auch private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen müssen zur Barrierefreiheit verpflichtet werden, mindestens jedoch zu angemessenen Vorkehrungen im Einzelfall. Die Verweigerung von angemessenen Vorkehrungen muss als Diskriminierung im AGG verankert werden. Nur so werden Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, ihre Rechte einzuklagen, wenn zum Beispiel im Restaurant keine Rampe für Rollstuhlnutzende bereitgestellt wird.
Das Bundesjustizministerium (BMJ) spielt seit Beginn der Wahlperiode trotz einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag auf Zeit und kündigt stattdessen eine erneute Evaluation des AGG an.
Eine in dieser Legislaturperiode noch umsetzbare Alternative wäre, das Benachteiligungsverbot im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) auch auf private Anbieter auszuweiten. Das für das BGG zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist hierzu mit den im Deutschen Behindertenrat organisierten Verbänden im Austausch. Nun stockt die Ressortabstimmung, weil das BMJ die noch nicht verabschiedete 5. EU-Gleichbehandlungsrichtlinie ins Feld führt.
Gleichzeitig blockiert erneut das BMJ auf europäischer Ebene die Verabschiedung ebendieser Richtlinie. Brisant ist in diesem Zusammenhang, dass aktuell Belgien, welches bis Ende Juni 2024 die Europäische Ratspräsidentschaft innehat, erreichen will, dass die Gleichbehandlungs-Richtlinie jetzt endlich von allen EU-Staaten freigegeben wird. Dazu hat in Brüssel eine Aussprache stattgefunden, in der fast alle Länder der Initiative Belgiens zugestimmt haben. Die Vertreterin Deutschlands, konkret des Bundesjustizministeriums, hat dazu erklärt, dass erst noch geprüft werden müsse, ob die von Deutschland erhobenen Einwände berücksichtigt worden seien. Bis diese Prüfung abgeschlossen sei, erhalte Deutschland seinen allgemeinen Vorbehalt aufrecht.
"Seit 2008 blockiert Deutschland die 5. EU-Gleichbehandlungs-Richtlinie, die u. a. Diskriminierungsschutz wegen Behinderung für die Bereiche Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung sowie beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen vorsieht", so Verena Bentele, aktuelle Sprecherratsvorsitzende des Deutschen Behindertenrats. "Das verbleibende Zeitfenster muss nun schnell genutzt werden. Menschen mit Behinderungen wollen sich nicht länger ausbremsen und vertrösten lassen, wenn es um dringend notwendige Entscheidungen geht, mit denen Deutschland endlich barriere- und diskriminierungsfreier wird."
Durch das Bundesjustizministerium werden also gleich zwei wichtige Vorhaben für mehr Barrierefreiheit und Diskriminierungsschutz sowohl im Bund als auch auf EU-Ebene blockiert.
Da viele behindertenpolitische Verbesserungen in Brüssel angestoßen werden, ist auch die anstehende Wahl des EU-Parlaments wichtig, um dem Schutz vor Diskriminierung mehr Rückenwind zu verleihen.