14.02.2008
An den Präsidenten der
Bundesarchitektenkammer (BAK)
Herrn Prof. Arno Sighart Schmid
Askanischer Platz 4
10963 Berlin
Sehr geehrter Herr Professor Schmid,
mit Bestürzung und großem Unverständnis hat der Deutsche Behindertenrat, das Aktionsbündnis deutscher Behindertenverbände, die Aktivitäten der Bundesarchitektenkammer (BAK) zur Kenntnis genommen, den erzielten Konsens für den Entwurf einer DIN 18040 zum Scheitern zu bringen.
Im Januar 2008 hat der im Deutschen Institut für Normung (DIN) fachlich zuständige Arbeitsausschuss für barrierefreies Bauen nach einjähriger Arbeit einstimmig, das heißt mit der Stimme der Vertreterin der BAK in diesem Gremium, einen Normentwurf für das barrierefreie Bauen öffentlich zugänglicher Gebäude verabschiedet (DIN 18040, Teil 1). Nachweislich auf Betreiben einer hauptamtlichen Vertreterin Ihres Verbandes hat das NABau-Lenkungsgremium FB 01 "Grund- und Planungsnormen" des DIN anschließend einen Beschluss gefasst, der den erreichten Konsens desavouiert und einzig und allein auf die Durchsetzung der Interessen der BAK gerichtet ist.
Danach sollen aus nahezu allen Muss-Bestimmungen der Norm Kann-Bestimmungen werden und es soll durchgängig eine Zuordnung der Anforderungen der Norm zu einzelnen Behinderungsarten erfolgen, was zur Diskriminierung und Segregation von Menschen mit Behinderungen führt. Darüber hinaus wird die Umsetzung des Beschlusses zu einer Verzögerung der sich im Endstadium befindenden Beratungen zum Entwurf DIN 18040, Teil 2 (Wohnungen) um mindestens ein bis zwei Jahre führen.
Nachdem vor mehr als einem Jahr der Entwurf für eine DIN 18030 Barrierefreies Bauen auf Grund der zahlreichen Einsprüche verschiedener gesellschaftlicher Interessengruppen gescheitert war, konnte nun erfreulicherweise ein breiter Konsens für einen neuen Normentwurf DIN 18040 erzielt werden. Dabei haben nicht zuletzt die Behindertenverbände und ihre Vertreter im Arbeitsausschuss des DIN die seinerzeit geäußerten Bedenken sehr ernst genommen und sich für deren Berücksichtigung bei der Erarbeitung des Entwurfs der DIN 18040 eingesetzt.
Gerade dieses auf Konsensfindung gerichtete Vorgehen führte dazu, dass sich alle beteiligten Fachleute auf den neuen Normentwurf verständigen konnten – darunter neben der Vertreterin der BAK auch alle anderen Architektinnen und Architekten. Viele von ihnen, so zum Beispiel der Obmann des Arbeitsausschusses Professor Loeschcke, seines Zeichens Architekt und Hochschullehrer in Karlsruhe, befassen sich bereits seit Jahren mit dem Thema Barrierefreies Bauen. Gerade sie haben die seinerzeit geäußerten Bedenken der BAK hinsichtlich fehlender Rechtssicherheit im Entwurf der DIN 18030 immer wieder thematisiert. Der einstimmig gefasste Beschluss zum jetzigen Entwurf für eine DIN 18040 belegt, dass frühere Kritikpunkte der Architektenschaft, aber auch der Bauministerkonferenz der Länder sowie anderer Interessengruppen Berücksichtigung gefunden haben.
Vor diesem Hintergrund kann die nachträgliche Intervention Ihres Verbandes von uns nur dahingehend interpretiert werden, dass die BAK die Einführung einer neuen Norm zum barrierefreien Bauen und damit die Umsetzung der Gleichstellungsgesetze in Bund und Ländern unter allen Umständen verhindern will. Der Deutsche Behindertenrat missbilligt dieses Vorgehen auf das Schärfste. Damit schadet die BAK nicht nur den behinderten Menschen in unserem Land, sondern auch den vielen Architektinnen und Architekten, die auf dem Feld des barrierefreies Bauens tätig sind.
Für die Behindertenverbände ist in dieser Diskussion das Ende der Fahnenstange erreicht. Ein Verlassen des vom zuständigen Arbeitsausschuss beschlossenen Normentwurfes kommt für uns unter keinen Umständen in Frage.
Sehr geehrter Herr Professor Schmid, wir fordern Sie auf, die Position der BAK zu revidieren und dies auch gegenüber dem DIN unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Stellen Sie die Partikularinteressen Ihres Verbandes nicht länger dem übergreifenden Interesse aller gesellschaftlichen Gruppen nach verbindlichen Standards für das barrierefreie Bauen entgegen. Sie haben es mit Ihrem Handeln selbst in der Hand, die BAK auf den Weg des Ausgleichs zurückzuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Hirrlinger
Vorsitzender des Sprecherrates
des Deutschen Behindertenrates