Gesetzeslücke schafft Benachteiligung

Berlin, 17. Mai 2019

Der Deutsche Behindertenrat (DBR) weist auf eine gravierende Lücke im aktuellen Änderungsgesetz zu den Sozialgesetzbüchern IX und XII hin und fordert deren Beseitigung. Dies betrifft Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben und ein sogenanntes Taschengeld erhalten. Nach alter Rechtslage bleibt den Bewohner*innen bislang monatlich ein Taschengeld von mindestens 114 Euro zur individuellen Verfügung. Ab 2020 soll es dazu aber keine bundeseinheitliche Regelung mehr geben.

In einigen Bundesländern wird es nach Landesrecht bei den 114 Euro bleiben, in anderen wird es etwas mehr sein, und in einigen Bundesländern sind noch keine Regelungen dazu getroffen worden. In wieder anderen Bundesländern – wie beispielsweise Hamburg – wird es künftig vom Verhandlungsgeschick der einzelnen Betroffenen abhängen, ob die jeweilige Einrichtung den gesamten zur Verfügung stehenden Geldbetrag erhält oder ob für die Betroffenen noch etwas übrigbleibt, um außerhalb einen Kaffee zu trinken oder ein Geschenk für Freund*innen oder Verwandte zu erstehen.

Der Arbeitsausschuss des DBR tagt
Mitglieder und Gäste des Arbeitsausschusses sitzen an einem Tisch und schauen in die Beratungsunterlagen.

"Es kann nicht sein, dass der Bundesgesetzgeber die Betroffenen, die sich nicht gegen übermächtige Institutionen durchsetzen können oder keine kompetente Unterstützung haben, bewusst in ihr Unglück laufen lässt," warnt DBR-Sprecherratsvorsitzender Horst Frehe. Es dürfe auch nicht dazu kommen, dass es vom Wohnort abhänge, ob man sich noch ein Eis leisten könne.

"Minutiös wird auf die Kommastelle genau geregelt, was der Bund wann den Ländern erstattet," erläutert der DBR-Sprecherratsvorsitzende, der gleichzeitig den Vorstand der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland – ISL vertritt. "Aber anscheinend sieht sich der Bund bislang nicht in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Betroffenen nicht benachteiligt werden und einen Mindestbetrag als Taschengeld behalten", ärgert sich Frehe. Dabei sei das ganze neue Recht als Bundesteilhabegesetz unter der Prämisse erarbeitet worden, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, also die Menschenrechte von behinderten Personen zu realisieren. "Dazu passt es überhaupt nicht, wenn einige Betroffene am Ende keinen einzigen Euro zur freien Verfügung haben" , so Frehe, der jetzt Bund und Länder in der Pflicht sieht, eine Neuregelung vorzusehen.

Der DBR ist ein Aktionsbündnis der Behindertenverbände, Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen in Deutschland und engagiert sich seit vielen Jahren für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Im DBR haben sich über 140 Organisationen behinderter und chronisch kranker Menschen vereinigt. Das Bündnis repräsentiert über 2,5 Millionen Betroffene. Für das Jahr 2019 hat die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) den Vorsitz im Sprecherrat des DBR übernommen. Vorsitzender des Sprecherrats ist ISL-Vorstandsmitglied Horst Frehe.

V.i.S.d.P.: Alexander Ahrens

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